Comtheo * Predigten aus dem Vikariat von Susanne und Martin Jensen


Predigten       Meditationen       Agenden       Religionen     Home        
                                                 

 

13. August 2000 - 8. Sonntag nach Trinitatis - 1. Korinterh 6,9-
14.18-20
Vikarin Susanne Jensen

Liebe Gemeinde!

Beim heutigen Lesungstext 
wird sich sicher der eine oder andere gefragt haben:
Hoppala, was ist denn das ?
Was wird uns denn da zugemutet ?
Wir hören wieder mehr Gesetz als Evangelium  und
bekommen plakativ vorgehalten, was es alles 
für Schlechtigkeiten gibt.

Vom Charakter her war das ein recht strenger Text, 
eben ein Lasterkatalog aus der Feder des Apostels Paulus.

Höre ich etwa einen meckernden Moralapostel?
Ich stell mir Paulus vor, 
wie er dasitzt und schreibt: „Laßt euch nicht irreführen!
Weder Unnützige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben,
Knabenschänder, Diebe, Geizige, 
Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber
werden das Reich Gottes ererben.“;
engagiert ritzt er mit seiner Feder Löcher ins Pergament -
dabei raucht ihm der Kopf. „Flieht die Hurerei!“
1.Kor 6 ist eben mit heißer Feder gestrickt.

Gerichtet ist der ganze Brief 
an die neu gegründete Gemeinde in Korinth.
Paulus selbst fühlt sich als Vater der Gemeinde, 
er ist ihr Gründer, und kennt weitgehend 
alle die seinen - seine Schäfchen,
von denen doch einige oben Genanntes auf 
dem Kerpholz hatten bevor sie Christen wurden.

Die Gemeinde in Korinth lebt nicht abgeschottet
in einem christlichen Ghetto, sondern verstreut in dieser 
großen multikulturellen und multireligiösen Hafenstadt.

Kriminelle, große und kleine Fische, 
tummelten sich mit den lebenslustigen
und aufgeschlossenen Bürgern der Stadt. 
Die Grenze von Erlaubtem und 
Verbotenem war fließend.
Das christliche Ethos  verbot einiges, 
was die römische Stadtpolizei nicht ahndete.

Die Korinther können froh sein, 
daß ihnen ihr Gründervater Paulus schreibt,
daß er ihnen von Ferne auf die Finger schaut, 
genau verfolgt, wie sich die Gemeinde entwickelt.

Zwischen den Zeilen dieses Lasterkatalogs
stehen Erkenntnise, 
die getragen werden von tiefem Glauben:
daß Menschen, die zu Jesus Christus gehören 
reingewaschen, geheiligt und gerecht geworden sind;
daß der Leib „auferstehungswürdig“ ist;
daß der Leib ein Tempel des Heiligen Geiestes ist  und
daß alle Menschen durch Jesu Tod teuer erkauft sind.

Der letzte Vers von Kapitel 6 lautet wörtlich:
„Denn ihr seid teuer erkauft;
darum preist Gott mit euerm Leibe.“

Wenn wir diese Worte hören, was sagen sie uns:
? ... Gott mit unserem Leibe loben, 
weil wir teuer erkauft sind ... ?
Wir verhält es sich mit unserer Leiblichkeit?

Ganz viele Fragen und Assotiationen 
schießen mir dabei durch den Kopf.
und so möcht ich erst einmal von mir 
und meinem Leib reden.
Ich glaube das ist besser, nicht so distanzlos,
als wenn ich jetzt dauernd von 
unseren Leibern sprechen täte.

Also - mein Leib:
Gehört mir mein Leib?
Bin ich in ihm zu Hause  
und preise ich mit ihm gar Gott ?

Als ich Anfang des Jahres im Krankenhaus war,
habe ich intensiv mit einer Leibtherapeutin gearbeitet.
Frau Hübner ist ausgebildete Leibtherapeutin und
arbeitet als Bewegungstherapeutin 
in einer Klinik im Hessischen.
Frau Hübner erklärte mir, 
einer ausgewachsenen Theologin und Vikarin,
den Unterschied von Leib und Körper.
Es gibt Tier-Körper und Menschen-Leiber.
Körper und Leiber sind kreatürlich, 
von Gott geschaffen  und von Gott geliebt.

Der Leib ist von Gott beseelt,
er trägt den Atem Gottes in sich  und 
ist geschaffen nach dem Bilde Gottes.
Ich / Wir sind mit unseren Leibern Ebenbilder Gottes.

So sieht das Paulus auch,
der Leib ist etwas ganz Wertvolles, 
er ist „auferstehungswürdig“,
er ist Tempel des Heiligen Geistes - teuer erkauft.

Leib und Seele gehören zusammen, 
machen den ganzen Menschen aus.
So braucht mein Bauch ab und an 
ein gewisses Sättigungsgefühl,
wenn das nicht eintritt, werde ich schnell grantig.
„Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; ...“;
so heißt es bei Paulus, der damit die Bestimmung des Bauches
zur Füllung mit Speise hervorhebt.

Leib und Seele gehören zusammen, 
machen den ganzen Menschen aus.
So braucht meine Haut ab und an Streicheleinheiten,
wenn ich die nicht bekomme, stellt sich allmählich 
das Gefühl von Ungeliebtsein ein. 
Ganz wichtig ist es mir dabei, hervorzuheben,
daß diese Streicheleinheiten zu 
einem nicht unwesentlichen Anteil 
von mir selbst kommen müssen.  
Das habe ich auch in der Zeit meiner Krankheit gelernt:
mich selbst zärtlich zu streicheln, 
mich selbst zu mögen, so wie ich bin.
Also, ich bin zärtlich zu mir, weil ich teuer erkauft bin - 
und weil ich das einfach brauche.

Leibliche Sexualität gehört zum Menschsein dazu.
Wenn Partner in Liebe und Respekt ihre Sexualität leben  und
beide selbstbestimmt dabei bleiben, 
ist das ein kostbarer Schatz.
Am Leib versündigt man sich, wenn Gewalt ins Spiel kommt.
Wenn Menschen sich verletzen,
die Schamgrenzen nicht kennen  und
den anderen in Abhängigkeit halten.

Paulus würde uns heute ins Gewissen reden:
Flieht Gewalt, die Schmerzen und Wunden erzeugen!
Flieht Schamlosigkeit, die die Menschenwürde verletzt!
Flieht Kinderpornographie, die Seelen zerstört!

Die Technik macht es möglich,
daß sich jeder Surver im Internet, wenn er möchte,
Kinderpornographie auf den Computerbildschirm holen kann.
„Ein Anklicken“ auf einschlägigen Web-Seiten ermöglicht 
den Zugang zu einer Welt sexueller Gewalt.
Die Bilder sind ja irgendwie entstanden,
was abgebildet ist, soll echt aussehen - und es ist echt!

Ich mußte dabei sofort an das Lied
von Bettina Wegener denken:

	Sind so kleine Hände
	winz´ge Finger dran.
	Darf man nie drauf schlagen
	die zerbrechen dann.

	Sind so kleine Füße
	mit so kleinen Zehn.
	Darf man nie drauf treten
	könn´ sie sonst nicht geh´ n.

	Sind so schöne Münder
	sprechen alles aus.
	Darf man nie verbieten
	kommt sonst nichts mehr raus.
 
	Sind so klare Augen
	die noch alles sehn.
	Darf man nie verbinden
	könn´ sie nichts versteh´n.

	Sind so kleine Seelen
	offen und ganz frei.
	Darf man niemals quälen
	geh´n  kaputt dabei.

Leib und Seele gehören zusammen, 
machen den ganzen Menschen aus.
So braucht mein Herz Gott als Gegenüber,
wenn ich ihn nicht habe, falle ich ins Bodenlose,
zerfrißt mich pure Lebensangst.
Ich müßte den Sinn meines Lebens selbst erfinden,
ich müßte mir auf meine existentiellen Fragen 
selbst antworten  und
ich müßte mich damit abfinden, daß mein Leben irgendwann
im totalen Nichts endet.

Wenn Gott die Toten nicht auferstehen läßt,
dann „laßt uns essen und trinken;
denn morgen sind wir tot!“

Gott existiert  und
Gott läßt auferstehen.
Er läßt uns in unseren Leibern auferstehen.
Dafür wollen wir ihn 
zu Lebzeiten mit unseren Leibern 
preisen und loben, weil wir zu ihm gehören
mit Leib und Seele.

Amen

Ideen und Mails an: webmaster@comtheo.de